Wie sehen die Schritte zeitgemäßer Krisenkommunikation aus? Eine Anleitung von Dominik Wichmann
Erstens: Der Ton macht die Musik.
Für alle folgenden sechs Punkte gilt: Agiert grundsätzlich so früh wir nur möglich, um Shitstorms schon kurz nach deren Aufkommen mit sachlichen Argumenten zu entkräften. Kommuniziert stets so transparent wie möglich - sowohl intern als auch extern. Außerdem solltet Ihr so regelmäßig wie ein Uhrwerk kommunizieren, am besten auf die Stunde genau. Das schafft Vertrauen und Gewissheit. Und genau darauf kommt es in einer Krisensituation am meisten an. Und zuletzt: Formuliert nicht technisch und bürokratisch, sondern verständlich und voller Empathie. Ihr müsst deshalb nicht gleich zu Kitsch oder Pathos greifen. Aber vergesst auch nicht, dass Menschen mit Menschen kommuniziert.
Zweitens: Entwickelt eine Stimme.
Vor allem in größeren Unternehmen sind die Kommunikations-Abteilungen bisweilen gewachsen wir ein mittelalterliches Dorf: Ein Wirrwarr an Gassen und Umwegen, das oftmals nur jene kennen, die in diesem Dorf aufgewachsen sind. Ein Besucher oder gar ein Kunde kann mit dieser Logik meist nichts anfangen. Für eine erfolgreiche Krisen-Kommunikation ist so ein Gespinst aus Stimmen, Channels und Abteilungen regelrecht Gift. Deshalb zentralisiert die Kommunikation so früh wie möglich, bildet ein entsprechendes Team, das aus maximal sieben Leuten bestehen sollte. Wichtig: sowohl der CEO als auch die Leitung Human Resources müssen zu diesem Teams gehören.
Drittens: Macht Euch Gedanken über die Narrative des Unternehmens.
In Krisenzeiten interessieren sich die Menschen aus nachvollziehbaren Gründen meist nur für ein Thema: die Krise selbst. Es ist daher schwer, auf glaubwürdige Art und Weise mit seiner Botschaft überhaupt noch durchzudringen. Umso wichtiger ist es, sich sehr frühzeitig Gedanken zu machen, mit welcher Geschichte man als Unternehmen von seinen Zielgruppen identifiziert werden möchte. Platte Werbung für Produkte wäre jedenfalls das falsche Signal (außer es handelt sich um Produkte, die helfen, der Krise zu begegnen). Vermeidet bloßes Story-Telling. Vielmehr setzt auf Story-Doing und erzählt anschließend davon. Das ist glaubwürdiger.
Viertens: Die Mitarbeiter zuerst.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind in einer Krisensituation genauso wichtig wie jeder Kunde. Denn sie tragen das Unternehmen durch die schwere Zeit. Sie sitzen in ihren Home Offices und engagieren sich auf vielfältigste Art und Weise. Ihnen sollte daher die erste Welle der Krisenkommunikation gelten. Und zwar exakt so, wie in Schritt eins beschrieben: Frühzeitig, empathisch, transparent und regelmäßig.
Fünftens: Und nun die Externen.
Entwickelt eine genaue Übersicht aller externen Empfänger Eurer Krisenkommunikation. Und spricht auch hier mit einer Stimme in der genannten Art und Weise. Das gilt gegenüber Kunden und Lieferanten gleichermaßen. Und natürlich auch gegenüber zukünftigen Mitarbeitern. Denn die gute Krisenkommunikation von heute ist das erfolgreiche Employer-Branding von morgen.
Sechstens: Ein Blick nach oben.
Auch die Shareholder rutschen in einer Krise nervös und oftmals angstvoll auf ihrem Stuhl hin und her. Die schlechten und unerfahrenen Protagonisten unter ihnen geben diesen Druck eins zu eins auf die Unternehmensführung weiter. Die guten Shareholder werden zum Unterstützer, geben Takt und Sicherheit. Der Krisenstab muss in seiner Kommunikation unbedingt auch die Shareholder berücksichtigen. Einerseits um etwaigen Aufgeregtheiten souverän und sachlich begegnen zu können. Andererseits um gemeinsame Solidaritäten zu schaffen, die dann die Grundlage für die fortwährende Loyalität und Unterstützung auch nach der Krise bilden.
Siebtens: Protokoll und Prävention.
Diese Krise ist gewiss einzigartig in ihrem Umfang und ihrer Radikalität. Aber es wird gewiss nicht die letzte Krise Eures Berufslebens sein. Führt deshalb bitte Protokoll und notiert die wesentlichen Erkenntnisse dessen, was Ihr gerade erlebt. Nach der Krise solltet Ihr Euch die Zeit nehmen und diese Beobachtungen extrapolieren, also einen Sinn daraus ableiten. Emanzipiert Euch von Public Relations Agenturen und setzt stattdessen zunehmend auf Eure eigenen Kanäle. Verwendet die Learnings als optimale Grundlage für Eure künftig selbstgesteuerte Krisen-Kommunikation. Sie wird klüger sein, effizienter, günstiger und noch erfolgreicher. Am Ende des Orkans liegt der Anfang der Prävention. Oder etwas emphatischer formuliert: in der Mitte der Nacht beginnt stets ein neuer Tag.
Dr. Dominik Wichmann war 17 Jahre lang Chefredakteur der Medien Stern, Süddeutsche Zeitung Magazin und DLD Media. Er ist heute publizistischer Berater von Bits&Pretzels und co-Founder der LOOPING GROUP. Das erst vor vier Jahren gegründete Unternehmen mit Sitz in München, Berlin und Hamburg zählt mit seinen 140 Mitarbeiter*innen inzwischen zu den wichtigsten Kommunikations- und Marketing-Agenturen im deutschsprachigen Raum.