Der Verhandlungsexperte Matthias Schranner über "Red Flags", Transparenz und Zuversicht dank Bill Gates
Der Verhandlungsexperte Matthias Schranner wurde von Polizei und FBI für schwierigste Verhandlungen und Geiselnahmen ausgebildet. Als Berater unterstützt er mit seinem Institut die UN, globale Unternehmen und politische Parteien. Hier schreibt er darüber, was er während der Krise über Unternehmensführung gelernt hat und auch in Zukunft fortführen will.
1. Querdenken fördern
Während der Krise war es wichtig, sich schnell in andere Programme und Bereiche einzuarbeiten. Mitarbeiter*innen, die bereits vor der Krise über den eigenen Bereich hinausgedacht und gute Kontakte im Team geknüpft hatten, waren schnell in der Lage, die Probleme zu lösen. Ich werde nach der Krise diesen Austausch zwischen den Bereichen noch stärker fordern und fördern. Es wird mehr team-übergreifende Meetings geben, mehr Kommunikation zwischen meinen Leuten. Auch die Anzahl an team-übergreifenden Events werden wir steigern.
2. Noch globaler arbeiten
Unser Unternehmen ist global aufgestellt, wir haben Firmen in Zürich, New York City, Hong Kong und Dubai. Wir haben durch den Austausch mit unseren Leuten in Hong Kong den Verlauf der Krise in China hautnah mitbekommen und ich habe die Geschwindigkeit und den Impact der Krise für Europa und USA unterschätzt. Wie viele andere haben auch wir mit der Wucht der Entwicklung nicht gerechnet, sonst hätten wir uns bereits früher auf Online-Workshops vorbereitet. Wir erleben dafür jetzt das Aufflammen der Wirtschaft in China durch unsere Kollegen vor Ort live mit. Das ermöglicht es, dass wir uns schneller auf das neue Business vorbereiten. Nach der Krise werden wir den Austausch zwischen den Ländern forcieren, auch hier wird es mehr übergreifende Kommunikation geben. Wir werden wohl erstmals globale Meetings abhalten, wo wir uns alle an einem Ort der Welt treffen, wahrscheinlich in Dubai. Aber müssen wir aber zunächst wieder in der Normalität ankommen.
3. "Red Flags" ernster nehmen
Erste Warnungen werden wir nach der Krise schneller und besser bewerten. Wir hatten einfach so viel Arbeit und Erfolg, dass ich die Warnungen aus China nicht in dem Maße bewertet habe, wie es notwendig gewesen wäre. Wir werden sogenannte «Red flags» einführen. Jeder im Team muss diese bei ersten Anzeichen anstehender Veränderungen bis hin zu globalen Krisen sofort «schwenken». Dazu gehört auch, mich mit Nachdruck darauf hinzuweisen.
4. Mehr Transparenz, auch wenn es bitter ist
Anders als bei den meisten Unternehmen habe ich keine positiven Zeichen gesetzt, als die Auswirkungen der Pandemie unser Business erreicht hat. Ich habe bewusst nicht gesagt: «Wir schaffen das gemeinsam und gehen gestärkt daraus hervor». Ich habe den Ernst der Lage klar kommuniziert, mit allen Mitarbeiter*innen offen gesprochen und schnell Konsequenzen gezogen. So mussten wir uns von einigen, auch langjährigen Mitarbeiter*innen trennen. Das war bitter, aber aus meiner Sicht notwendig. Eine offene und ehrliche Kommunikation ist unabdingbar, das werden wir sicher beibehalten.
5. Schneller Richtung Zuversicht
Zugegeben fiel es mir schwer, in den ersten Wochen den «Play to win»-Gedanken aufrecht zu erhalten. Auch bei mir persönlich. Ich hatte die Finanzkrise 2008 als Start-up erlebt. Das war damals auch bitter, weil ich noch keine finanziellen Reserven hatte. Diese Krise war aber schlimmer, weil noch unberechenbarer. Immer wenn ich in diese nachdenklichen Phasen habe, lese ich Autobiographien oder schaue mir Filme über erfolgreiche Menschen an. Auf Netflix habe ich «Inside Bill's Brain» gesehen. Bill Gates sagt in einem Interview, dass er sich in schwierigen Phasen immer die Frage stellt, was er jetzt tun kann. Es gibt zwei Möglichkeiten sagt er, aufgeben oder härter arbeiten. Solche Interviews motivieren mich, wieder «Play to win» zu denken und noch härter zu arbeiten. Dieses «Umschalten» ins positive Denken möchte ich noch schneller hinkriegen.